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Acher-Rench Zeitung, 10. April 2007


Ergreifende Lyrik und Bilder

Drei Acherner Künstler begeisterten die Zuschauer mit einem multimedialen Gesamtwerk im Bürgersaal

[von Wolfgang Winter]

Winfried Hoggenmüller, Rainer Schöttgen und Roman Kühn wurden von rund 200 Besuchern im ausverkauften Bürgersaal begeistert gefeiert. Die Premiere ihres multimedialen Gesamtkunstwerkes »Die Augen schließen – und du siehst« bewegte das Publikum zutiefst.
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Mit ihren Gedichten und Zeichnungen zogen Winfried Hoggenmüller (rechts) und Rainer Schöttgen (links)
unter Begleitung von Pianist Roman Kühn (Mitte) die Besucher in den Bann.

Achern. Von Anfang an fesselte und ergriff das Gebotene. Im abgedunkelten Saal erklang das von Roman Kühn interpretierte Präludium C-dur von Schostakowtsch. Dazu las Winfried Hoggenmüller den Zyklus »Laub auf die Gesichter«, während auf der Großbildwand die mit dem Computer gezeichneten Arbeiten Rainer Schöttgens erschienen. Wie innig abgestimmt das »Miteinander« wirkte, kann nicht hoch genug gelobt werden. Winfried Hoggenmüller berührte mit Gedichten um die Themen Krieg, Tod und Krankheit. Der Zyklus »Laub auf die Gesichter« lässt finsterste Zeiten erahnen. »Schwarze Tränen fallen zur Erde / Jeder tötet im Krieg auch sich selbst«, erklärt der Lyriker lakonisch. Hoggenmüller hofft auf die Kraft der »orangefarben Lieder« und fordert ein Zeichen des Höchsten, der, obwohl er das Wort ist, seit Menschengedenken im Schweigen verharrt. Innerhalb der leidvollen Textstrecke leuchtet das meisterhafte Epigramm »Vielleicht weint der Tod / wenn der Mensch tötet«, besonders eindrucksvoll hervor.

Der »fremde Freund«

Unter der Überschrift »Die leeren Stühle« hielten die Erinnerungen an Krankheit und Tod Einzug in den Bürgersaal. Der Tod, der »fremde Freund« ist immer geschäftig: »Er setzt sich nicht auf die leeren Stühle im weißen Zimmer mit den gelben Zweigen«. Eine Krebserkrankung führt »als es anfing« in eine »kalte Traumzeit«. Aus dem »Angstmund« fallen »Scherbenworte«. In »Verwandlung« und »Überlebenskunst« wird neue Kraft gewonnen und das »Ende einer Depression« mit dem Gedanken an die nicht weiten Berge und eines rötlich leuchtenden Sees eingeläutet. Dem dritten Teil seiner vierzig Gedichte umfassenden Werkschau gab Hoggenmüller den Titel »Diese langen blauen Tage«. Auf einem Kalvarienberg der Bretagne erzählen sich Steinfiguren »sandverwitterte Wundergeschichten«. Im Fischerhafen sind die Boote bunt und »das Windgesicht lebhaft«. Auf Jütland tanzt ein kleiner Stein auf den Wellen und findet den Weg »zu mir zurück«. Paradiesische Urlaubsfreuden: »Völlig leicht auf dem Wellen gehen / die Augen schließen / und du siehst den Himmel / blau«. Was nach dem »leisen Gesprächen der Abschiedsvögel« bleibt, ist der Weg »vom Bach der Kindheit / zwischen Apfelbäumen dorthin / wo ich den Beginn des Himmels / vermute.«

Mit sonorer Stimme

Rainer Schöttgen trug vielfach zum Gelingen bei. Er unterstützte Hoggenmüller als Rezitator und schuf mit seiner angenehm sonoren Stimme eine ganz besondere Atmosphäre des Hinhörens. Die Wortpassagen hatte er zuvor aufgenommen und in sein als DVD abgespieltes Bildwerk integriert. Der sich in seinen Bildern dokumentierende immense Schaffensrausch Schöttgens erstaunte die Besucher außerordentlich. Was sonst tief auf der Festplatte seines Computers im Verborgenen schlummert, wurde auf der Leinwand des Bürgersaals glänzend ins Licht gerückt. Eine derartige, kolossale Bilderfülle hatte wohl niemand erwartet.

Die sich auch in Romans Kühns Musikauswahl widerspiegelnde kongeniale Begleitung der Hoggenmüller- Gedichte gelang Schöttgen in bestechender Qualität. An seinen unglaublich unterschiedlichen Frauenbildern konnte sich an diesem Abend wohl niemand satt sehen. Egal ob Weiber wie aus dem Zille-Album entstiegen, verhärmte Frauengesichter die an Käthe Kollwitz erinnern oder laszive über ihrem Schampus brütende Barsirenen, Schöttgen hat
sie alle drauf. Mit sicherem, einprägsamen Strich arbeitet er die inneren Befindlichkeiten eines Menschen heraus.

Gelungene Musikwahl

Der renommierte Konzertpianist Roman Kühn besorgte die gelungene Musikauswahl und beeindruckte, wie schon häufig in der Alten Kirche Fautenbach, mit exzellentem Spiel. Moussorgskys »Bilder einer Ausstellung« dienten dem Publikum als mitreißende Atempause zwischen den Bild- und Textvorträgen. Am Ende herrschte ein langes Schweigen der Ergriffenheit, bis der über viele Minuten anhaltende Beifallssturm des Publikums einsetzte.